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Der Planungsprozess

Visualisierung des zukünftigen Brückenquerschnitts der ersten Hochbrücke Levensau Visualisierung des zukünftigen Brückenquerschnitts der ersten Hochbrücke Levensau Quelle: WNA NOK

Der Fachbereich Investitionen beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Kiel-Holtenau wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) beauftragt, alle notwendigen Schritte für Planung und Errichtung eines Ersatzneubaus zu übernehmen. Die Aufträge für die Ingenieurleistungen, die für das Planfeststellungsverfahren notwendig waren, wurden nach EU-weitem Ingenieur- und Architektenwettbewerb vergeben.


Prüfung von Varianten
Um die bestmögliche bauliche Lösung für das Projekt zu ermitteln, wurde es zunächst in mehrere Teilprojekte strukturiert. Das Gesamtprojekt unterteilt sich in:

  •  Kanalverbreiterung im Bereich Kanalkilometer 93,2 bis 94,2 inklusive Uferwänden, erdbauliche Ober- und Unterwasserböschungssicherungen und Konzepten zur Verwendung und Verbringung des Erdaushubes
  • Pfeilersicherung und Gründungssicherung der bestehenden zweiten Levensauer Hochbrücke (B76-Brücke)
  • Ersatzneubau des Brückenüberbaus inklusive Gründungen
  • Sicherung des Widerlagers Süd als Fledermaushabitat
  • Verkehrsplanung der überquerenden Verkehrswege Straße und Schiene

Zentrale Grundlagen bei der Entwicklung der Varianten sind der geplante, erweiterte Kanalquerschnitt (mit einer neuen Wasserspiegelbreite von 117 Meter statt wie bisher 101 Meter), die notwendigen Verkehrswege für die geplante Nutzung (ein Gleis, zwei Fahrstreifen Straße und ein einseitiger Geh- und Radweg) und der Erhalt des Fledermaushabitats im Widerlager Süd.

Die Fakten: Analysen und Gutachten
Um bei einem Projekt dieser Größenordnung fundiert entscheiden und bewerten zu können, braucht man aktuelle und verlässliche Fakten. Aufgrund der zahlreichen Berührungspunkte mit unterschiedlichen Fachgebieten und Interessen haben Experten entsprechende Gutachten erstellt. Sie bilden die Grundlage zur Ermittlung des bestmöglichen Ergebnisses für alle Beteiligten – unter anderem zu Fragen der Verkehrsplanung, der Anwohnerinteressen, der Geostatik und des Naturschutzes sowie effizienter Planung, Organisation und Koordination der Baumaßnahmen.


Auswahl der Zielvariante: dreistufiges Verfahren
Mit einem dreistufigen Verfahren wurde aus insgesamt 16 Lösungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Überbauten (Fachwerk, Netzwerkbogen und Spreizbogen) eine Zielvariante ermittelt. Dazu wurden in Stufe 1 anhand von fünf Muss-Kriterien zunächst einige Varianten ausgeschlossen. Die verbleibenden Varianten wurden anschließend in Stufe 2 anhand eines Punktesystems nach vorgegebenen Zielen bewertet. Für die drei Varianten mit den höchsten Punktzahlen wurde in Stufe 3 eine Kostenschätzung durchgeführt und anschließend ein Nutzwert errechnet.


Fünf Muss-Kriterien und vier Ziele
Bei der Untersuchung unterschiedlicher Brückentypen wurden fünf so genannte „Muss-Kriterien“ definiert, die jede in Frage kommende Variante erfüllen muss. Jede Variante, die eines oder mehrere dieser Kriterien nicht erfüllen konnte, wurde damit automatisch ausgeschlossen. Folgende Kriterien wurden geprüft:

  • Kriterium 1: Das Lichtraumprofil
    Begegnungsverkehre auch größerer Schiffsklassen müssen in diesem Abschnitt wieder möglich sein.
  • Kriterium 2: Die Nutzung des Brückenquerschnitts
    Die geplante Variante muss für die notwendigen Verkehrswege geeignet sein und damit ein Bahngleis, zwei Fahrspuren für Kraftfahrzeuge sowie einen Geh- und Radweg sicher und problemlos aufnehmen können.
  • Kriterium 3: Technische Realisierbarkeit
    Das Projekt muss auf Basis der anerkannten Regeln moderner Technik sinnvoll umsetzbar sein.
  • Kriterium 4: Erhalt des Fledermaus-Habitats
    Das Widerlager Süd muss als Lebensraum für die Fledermäuse auch nach einem Neubau erhalten bleiben.
  • Kriterium 5: Einhaltung der Sperrzeiten
    Mit sämtlichen Verkehrsträgern wurden maximale Sperrzeiten für die unterschiedlichen Verkehrswege vereinbart, die eingehalten werden müssen.

Die Varianten, die alle fünf Muss-Kriterien erfüllen, wurden anhand von zusätzlichen Zielen in vier Kategorien bewertet.

  • Ziel 1: Technische Qualität - Statik, Stabilität, Sicherheit und Wartungsintensität
    Bewertet wurden in diesem Bereich unter anderem die Robustheit des Über- und Unterbaus bei einer eventuellen Schiffskollision, die Auswirkung von Witterungseinflüssen auf Fahrbahn und Schienenstrang sowie voraussichtliche Aufwände für die Instandhaltung.
  • Ziel 2: Ausführungsqualität - Schwierigkeitsgrad und Einflüsse auf Organisation, Durchführung und Logistik der gesamten Baumaßnahme
    Bewertet wurden unter anderem die Komplexität von Gründung und Montage sowie die voraussichtliche Dauer der Sperrpausen für Schifffahrt, Bahn und Straßenverkehr.
  • Ziel 3: Ästhetik - Integration, Einheitlichkeit und Originalität
    Bewertet wurden unter anderem die Wirkung des Bauwerks im Landschaftsbild, die Einbindung des alten Widerlagers Süd als Teil eines neuen Brückenensembles sowie die potenzielle Außenwirkung der neuen Brücke jenseits ihrer Eigenschaft als Verkehrsbauwerk.
  • Ziel 4: Umweltverträglichkeit/Genehmigungsqualität
    Die Ergebnisse der im Vorfeld durchgeführten Umweltverträglichkeitsstudie wurden zur größtmöglichen Schonung sämtlicher Schutzgüter mit berücksichtigt. Bewertet wurden unter anderem möglichst geringe Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Klima und Landschaft sowie auf Boden und Wasser.


Wirtschaftlichkeit
Neben Aspekten wie technische Qualität, Artenschutz und zukünftige Nutzung spielt natürlich auch die wirtschaftliche Komponente eine wichtige Rolle. Deshalb wurde für die drei Varianten mit den höchsten Punktzahlen jeweils eine Kostenschätzung durchgeführt. Anschließend wurde auf Basis der voraussichtlichen Kosten und der erreichten Punktzahl eine Nutzwertanalyse durchgeführt. Die Variante mit dem höchsten Nutzwert wurde ausgewählt.


Der Brückenentwurf
Nach Auswertung sämtlicher Varianten nach den geschilderten Kriterien und Zielen und nach Berechnung des Nutzwerts hat die Variante „Spreizbogenbrücke II h.4“ den höchsten Wert erreicht. Die Zielvariante ist eine 243 Meter lange, von der Fahrbahn durchschnittene Bogenbrücke. In der Fernwirkung orientiert sich das neue Tragwerk an der bestehenden Bogenkonstruktion. Die Anforderungen an das Landschaftsbild werden damit optimal erfüllt.

Visualisierung des Ersatzneubaus der ersten Hochbrücke Levensau Visualisierung des Ersatzneubaus der ersten Hochbrücke Levensau Visualisierung des Ersatzneubaus der ersten Hochbrücke Levensau Quelle: WNA NOK


Die Bögen als Haupttragelemente sind in Brückenquerrichtung an den Fußpunkten stark gespreizt. Dadurch können wesentliche Teile des Neubaus bei geringstmöglicher Beeinflussung des Bestandes neben der bestehenden Brücke errichtet werden. Die Brücke wird als Stahlkonstruktion hergestellt. Die dezentrale Vormontage großer Segmente ist möglich. Die Bauzeit vor Ort wird dadurch minimiert.

 

Visualisierung der zukünftigen Brückenuntersicht Visualisierung der zukünftigen Brückenuntersicht Quelle: WNA NOK


Das Widerlager Süd wird optisch ansprechend in die neue Bausubstanz integriert, aber nicht zur Lastabtragung herangezogen. Bei der Umsetzung dieser Variante wird das Widerlager Nord zurückgebaut und durch ein neues, weiter zurückliegendes Widerlager ersetzt. Das Widerlager Süd wird baulich saniert und ohne statische Belastungen in die moderne Brückenstruktur integriert. Sowohl das bestehende Widerlager Süd als auch das neue Widerlager Nord dienen auch in Zukunft als Winterquartier für rund 5.000 Fledermäuse.

 

Publikationen

Artikel "Bauen im Bestand: Ersatzneubau der ersten Hochbrücke Levensau bei Kiel"